Als
Mitglied des Corner College-Teams, das einen selbst-organisierten Kunstraum
betreibt, stelle ich zurzeit einen Widerspruch fest- Die Streichung der
„Eidgenössischen Preise für innovative Kunsträume“ hat einerseits dazu geführt,
dass ich die in den vergangenen Jahren geschaffenen Strukturen unseres Raums
ernsthaft finanziell gefährdet sind. Die Einnahmen des Corner Colleges haben
sich innerhalb eines Jahres um mehr als dreissig Prozent reduziert. Dazugekommen
sind auch noch die Kürzungen des Migros-Kulturprozent aufgrund geringer Gewinne
Dank dem verstärkten Wettbewerb der Discounter, sodass wir 2013 vor der
Situation stehen, nur noch unsere Türen aufschliessen zu können. Elektrizität, Wasser,
Miete und Internetkosten sind bezahlt. Sorry liebe Kunstschaffende, Theoretiker
und Interessierte, mehr liegt bei der derzeitigen finanziellen Perspektive für
2013 nicht drin.
Die
Streichung hat aber anderseits auch dazu geführt, dass eine grosse Zahl von
selbst-organisierten Räumen aufgeschrien haben, verärgert über diese
kurzsichtige Umstrukturierungspolitik beim Bundesamt für Kultur und Pro
Helvetia. Dieser Aufschrei ist ein erstes Zeichen des Widerstands. Bei
schwerwiegenden Problemen gibt man allerdings nie auf, sondern man läuft man
erst Recht zu Höchstform auf. Man befindet sich sozusagen in einem gesteigerten
Arbeitsmodus, der einen dazu bringt, politisch aktiv zu werden und für seine
Anliegen an die Öffentlichkeit zu treten.
Mit einem gewissen
Anflug an Zynismus kann man dem kulturpolitischen Kahlschlag also auch
Positives abgewinnen. Wir Betroffene haben uns zusammengeschlossen, weil wir es
nicht ertragen können, das ausgerechnet wir, die wir unbezahlt und von
Idealismus getrieben, nun der einfältigen (man muss das einfach so sagen)
Umstrukturierungs-/Sparpolitik zum Opfer gefallen sind. Und es kommt wie immer
noch dicker. Während in Zürich Millionen in den Galerienkomplex Löwenbräu
investiert wurde und die nächsten Millioneninvestitionen für das
Kunsthaus wohl folgen werden, dürfen wir im selbst-organisierten Strukturen darüber
nachdenken, wie wir unsere leeren Räumen mit No-Budget-Programmen füllen
dürfen. Das frustriert und macht wütend, denn für selbst-organisierte Strukturen
fehlt zurzeit der politische und amtliche Wille, Veränderungen herbeizuführen. Wir
aber werden Forderungen stellen, die uns ein menschenwürdiges Arbeiten
ermöglichen, die uns ein wenig mehr Sicherheit bieten und uns wieder sinnvolle
Programme machen lässt. Es brodelt – zumindest bei mir – weiterhin heftig. Es
sind einige Aktionen und Vorstösse geplant.
Inzwischen
kommt doch auf einen Kaffee bei einem der selbst-organisierten Kunsträume
vorbei. Kaffeehäuser galten bevor Starbucks kam als Debattierhäuser. Starten
wir eine Debatte über Kulturpolitik, die zum Beispiel so aussehen könnte:
Für
selbst-organisierte Kunsträume muss die Eidgenossenschaft, sei es das Bundesamt
für Kultur, Pro Helvetia, die zuständigen Kantone und die Städte/Gemeinden
endlich eine adäquate Förderung bereitstellen, die „nachhaltige“ Strukturen schafft.
Unsere Arbeit, die sehr oft von Pro Helvetia für ihre Netzwerk-Arbeit in
Anspruch genommen wird, muss finanziell unterstützt werden, auch wenn im Raum
kein von Pro Helvetia unterstütztes Projekt stattfindet (oder noch nie
stattgefunden hat). Nachwuchsförderung ist von enormer Relevanz. Künstlerinnen
und Künstler erhalten in selbst-organisierten Kunsträumen Raum für Experimente,
die sie in einem kommerziellen und auf Publikumszahlen orientierten Haus nicht
bekämen. Wenn die grossen Häuser massiv finanziell unterstützt werden, darf man
die kleinen Räume nicht vergessen.
Letztlich
gilt es festzuhalten: Ideen spriessen dort, wo die Pfade noch nicht ausgetrampelt
sind. Die Kleinheit von Kunsträumen ist nicht gleichbedeutend mit Marginalität
von Ideen, sondern kleine und flexible Strukturen sind der Beginn von jeder Form
von Kultur, die es verdient finanziell unterstützt zu werden.
Stefan
Wagner, Corner College Zürich
PS: In England
hat man dies bereits erkannt. Wer mehr dazu erfahren will, findet bei
Common Practice mehr Informationen. Dort kann man auch die Studie Size Matters anklicken,
die einem über die Qualität und Quantität von kleinen Kunsträumen Auskunft
gibt.